Unter den Disponenten engagieren sich fast alle in den Freiwilligen Feuerwehren
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Da hat jemand seine Leidenschaft zum Beruf gemacht! Diesen Eindruck jedenfalls bekommt man, wenn man die Disponenten für Feuerwehr und Rettungsdienst auf der Kooperativen Regionalleitstelle Nord eine Schicht in ihrem Dienst begleitet. Die „Leitstelle Nord“ in Harrislee vereint die Notrufe 112 (Feuerwehr und Rettungsdienst) und 110 (Polizei) für Flensburg, Schleswig-Flensburg und Nordfriesland unter einem Dach. Sie verringert so die Distanz zwischen den verschiedenen Blaulicht-Organisationen zum „kurzen Dienstweg“. Ein großer Vorteil, wenn es darum geht, im Notfall schnell Hilfe für die Bürgerinnen und Bürger zu organisieren.
Fast alle, die im 112-Bereich der Leitstelle Nord Notrufe annehmen, haben einschlägige Feuerwehr- oder Rettungsdiensterfahrung und sind Mitglieder in den diversen Freiwilligen Feuerwehren (FF) in den drei Nordkreisen, in denen es ja mit der Flensburger Berufsfeuerwehr überhaupt nur eine hauptamtliche Feuerwehr gibt. Daniel Steffen z. B., den der „Blaulicht-Bereich“ schon immer fasziniert hat, war vor seiner Tätigkeit in Harrislee im Rettungsdienst und engagiert sich parallel in seiner Freizeit in der FF Leck. Ähnlich verhält es sich mit Uwe Tittel, der inzwischen Schichtleiter bei der Leitstelle Nord ist und viele Jahrzehnte für die FF Schleswig Einsätze fuhr. Die Liste ließe sich lange fortsetzen – insgesamt stehen rund 90 Prozent aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im 112-Bereich der Leitstelle nach und vor ihrer Arbeit für ehrenamtliche Lösch- und Rettungseinsätze zur Verfügung.
Ein Umstand, den Sebastian Schildger, Leiter der Feuerwehr- und Rettungsdienst-Leitstelle, als „Win-win-Situation“ bezeichnet. Zwingend erforderlich sei eine feuerwehrtechnische Ausbildung für die Arbeit an der Leitstelle zwar bisher nicht gewesen, sie werde aber sehr „gern gesehen“. „Unsere Disponenten mit Feuerwehrhintergrund haben meist einen ganz anderen Wissensstand und ein anderes einsatztaktisches Verständnis für das, was da draußen passiert“, berichtet Schildger. Umgekehrt könne genau dieses Wissen unter Umständen auch ins Einsatzgeschehen vor Ort eingebracht werden, weil ein hauptberuflicher Disponent genau weiß, welche Mittel die Leistelle im Notfall zur Unterstützung noch bereitstellen kann. Das unterstreicht auch Alexander Hinrichsen, der in seinem elften Lebensjahr in die Feuerwehr eintrat und zurzeit als Gruppenführer in der FF Harrislee tätig ist. „Ich habe wegen meiner Feuerwehrerfahrung ganz präzise Bilder im Kopf, fast wie in einem Film“, erzählt er von seinen Einsatzabläufen am Telefon. „In Gedanken mache ich von der Leitstelle aus meinen Erkundungsgang, wie ich ihn als Führungskraft vor Ort machen würde.“ Genau das sei wichtig für die richtige Einschätzung der Lage.
Danach gefragt, ob es für sie als Disponenten einen Unterschied mache, wenn sie von Harrislee aus die eigene Feuerwehr alarmieren und koordinieren müssten, verneinen alle Befragten. „Vom Einsatzablauf her nicht, das ist wie bei jeder anderen Wehr auch“, betont Christoph Meister, der Mitglied der FF Ahrenshöft in Nordfriesland ist. „Da haben wir unsere festen Abläufe, die natürlich je nach Einsatz angepasst werden müssen“, ergänzt Matz Fürstenberg, selbst Mitglied der FF Kropp. Etwas augenzwinkernd fügt Henning Rolapp, Wehrführer der FF Engelsby, allerdings hinzu: „Man guckt höchstens mal etwas genauer auf die Uhr, wie schnell die Kameraden sind, wenn es sich um die eigene Wehr handelt.“
Hinrichsen kann sich an einen Einsatz erinnern, in den er seine eigene Feuerwehr schicken musste – zur überörtlichen Hilfe bei einem Scheunenbrand in der Nachbargemeinde. Dieses Einsatzgeschehen sei ihm allerdings nicht unbedingt wegen der Nähe zu einer der Feuerwehren im Gedächtnis geblieben, sondern weil es wegen der Hitze und der Trockenheit an „allen Ecken und Enden“ brannte und die Leitstellen-Disponenten „am Limit“ gearbeitet hätten.
In ihrem neuen Ausbildungskonzept hat die Leitstelle Nord wegen dieser Synergie-Effekte ein festes Feuerwehrmodul vorgesehen, das der Ausbildung zum Gruppenführer entspricht. Das freilich werde das ehrenamtliche Engagement in den FF nicht überflüssig machen, betont Leitstellenleiter Schildger. Er arbeite auch hauptberuflich besonders gern mit ehrenamtlichen Feuerwehrleuten zusammen, da er wisse, dass er mit ihnen auch seine Leitstelle voranbringen könne. „Wer privat im Ehrenamt eine Schippe drauflegt, ist meistens auch engagiert im Beruf“, sagt er. Und: „Wir transportieren hier bei unserer Arbeit ja kein Sachgut, sondern haben es mit Menschen zu tun.“ Da sei eben Leidenschaft und Einsatz gefordert.
Und genau diese Leidenschaft wird er brauchen, wenn er sich an sein nächstes Projekt macht: den Ausbau der grenzübergreifenden Zusammenarbeit zwischen Dänemark und Deutschland im Rettungsdienst und bei der Feuerwehr. Auch das sei schließlich mehr als nur eine berufliche Aufgabe, meint Schildger. Viel eher handele es sich fast schon um ein politisches Projekt für das freundschaftliche und friedliche Zusammenleben zwischen Dänen und Deutschen, das ein Vorbild abgeben könne für andere Regionen der Welt.
Jan-Christian Schwarz
Letztes Update: 2024-04-22
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